Zinntetrachlorid (7646-78-8) Physikalische und Chemische Eigenschaften
Zinntetrachlorid
Wasserfreies Zinn(IV)-chlorid ist ein farbloses, rauchendes und hochfeuchtigkeitsempfindliches anorganisches Zinnhalogenid, das als Lewis-Säure-Katalysator und Chlorierungsmittel in der Synthese und Materialverarbeitung verwendet wird.
| CAS-Nummer | 7646-78-8 |
| Familie | Anorganisches Zinnhalogenid |
| Typische Form | Farblüssige, rauchende Flüssigkeit |
| Gängige Qualitäten | BP, EP |
Zinntetrachlorid ist ein anorganisches Zinn(IV)-Halogenid aus der Gruppe der Zinnchloride; seine stöchiometrische Formel lautet \(\ce{Cl4Sn}\). Strukturell handelt es sich um ein vierkoordiniertes Zinnzentrum in formellem Oxidationszustand +4, gebunden an vier Chlorid-Liganden; in der Gasphase und in der monomeren Molekularform ist die Koordinationsgeometrie um Sn ungefähr tetraedrisch, und die Verbindung verhält sich als starke Lewis-Säure. Die Sn–Cl-Bindungen sind kovalent, aber hoch polarisierbar, was zu einem Reagenz mit signifikanter Elektrophilie am Zinn und einer Neigung zur Elektronenpaaraufnahme von O- und N-Donorliganden oder zur Bildung von Addukten mit Lewis-Basen führt.
Das anhydride Bulkmaterial ist eine farblose bis leicht gelbliche, rauchende Flüssigkeit mit stechendem, scharfem Geruch; es raucht bei Kontakt mit feuchter Luft. Es hydrolysiert bei Kontakt mit Wasser oder feuchten Oberflächen unter Bildung von Salzsäure und hydratisierten Zinn(IV)-Spezies; diese Reaktion ist exotherm und erzeugt dichte Säuredämpfe. Aufgrund seiner Lewis-Säure-Eigenschaften und Wasserreaktivität wird Zinntetrachlorid breit als Katalysator und synthetisches Zwischenprodukt eingesetzt, wo kontrollierte wasserfreie Bedingungen oder nichtwässrige Medien erforderlich sind; außerdem dient es als Vorstufe für verschiedene Organzinnverbindungen und für Zinn(IV)-oxid-Beschichtungen in der Oberflächenbehandlung.
Übliche kommerzielle Qualitäten für diesen Stoff sind: BP, EP.
Grundlegende Physikalische Eigenschaften
Dichte
Gemeldete Dichten der anhydrieren Flüssigkeit betragen 2,34 g/cm³ sowie eine relative Dichte (Wasser = 1) von 2,26. In SI-Einheiten ist der häufig zitierte Laborwert 2,34 \(\mathrm{g}\,\mathrm{cm}^{-3}\). Die relativ hohe Dichte spiegelt das Vorhandensein eines Schwermetallzentrums und die kompakte molekulare Packung in der flüssigen Phase wider.
Schmelz- oder Zersetzungstemperatur
Schmelzpunkt: -33 \(\,^\circ\mathrm{C}\). Das anhydrid vorliegende Tetrachlorid ist eine niedrig schmelzende, flüchtige Flüssigkeit bei Raumtemperatur; mehrere hydratisierte Formen (Tri-, Tetra- und Pentahydrate) besitzen deutlich höhere Schmelz- oder Zersetzungstemperaturen und unterscheiden sich in ihren Eigenschaften im festen Zustand.
Wasserlöslichkeit
Löslichkeit: löslich in kaltem Wasser; zerfällt in heißem Wasser. Zinntetrachlorid löst sich in kaltem Wasser nur durch Hydrolyse und nicht als intaktes, neutrales Molekül – dieser Prozess erzeugt Salzsäure (rauchende HCl-Entwicklung) und hydratisierte Zinn(IV)-Spezien. Es ist außerdem in verschiedenen organischen Lösungsmitteln löslich (Aceton, Ethanol, Benzol, Tetrachlorkohlenstoff, Toluol, Methanol, Kohlenstoffdisulfid), was seiner molekularen, neutralen Spezies entspricht, die in aprotischen organischen Medien löslich ist.
Lösungs-pH (qualitatives Verhalten)
Für eine definierte wässrige Lösung werden derzeit keine quantitativen pH-Werte bereitgestellt. Qualitativ erzeugt der Kontakt mit Wasser Salzsäure (HCl) und somit stark saure Lösungen; die Anfangshydrolyse von \(\ce{Cl4Sn}\) in Wasser oder feuchter Luft führt zu sauren Dämpfen und senkt den pH-Wert der Lösung deutlich.
Chemische Eigenschaften
Säure-Base-Verhalten
Zinntetrachlorid wirkt vornehmlich als Lewis-Säure (Elektronenpaarakzeptor) und nicht als Brønsted-Säure in aprotischen Medien. In Gegenwart von Nukleophilen oder Lewis-Basen bildet es Koordinationsaddukte und Komplexe. Beim Kontakt mit protischen Medien (Wasser, Feuchtigkeit) erfolgt Hydrolyse unter Bildung von Salzsäure und hydratisierten Zinn(IV)-Oxy-/Hydroxy-Spezies (hydratisiertes stanniges Chlorid, Pentahydrat und verwandte Hydrate sind dokumentiert). Die Hydrolysereaktion ist exotherm und kann heftig verlaufen, wobei korrosive, saure Dämpfe freigesetzt werden.
Reaktivität und Stabilität
Die Verbindung ist luft- und feuchtigkeitsempfindlich: Sie raucht in feuchter Luft und reagiert mit Wasser unter Bildung von Salzsäure und Wärmeentwicklung. Sie reagiert heftig oder exotherm mit einer Vielzahl organischer Stoffe und Oxidationsmitteln; gemeldete Inkompatibilitäten umfassen Terpentin (stark exotherm), Ethylenoxid, Alkylnitrat und aktive Metalle (Kalium, Natrium), die bei Schlag explosive Gemische bilden können. Sie ist korrosiv gegenüber vielen Metallen sowie manchen Kunststoffen, Kautschuken und Beschichtungen; bei Erhitzung zersetzt sie sich unter Freisetzung korrosiver und toxischer chlorhaltiger Dämpfe. Gebrauch und Lagerung erfordern daher Feuchtigkeits- und Reagensausschluss.
Molekulare und Ionische Parameter
Formel und Molekulargewicht
Molekularformel: \(\ce{Cl4Sn}\).
Molekulargewicht: 260,5 (gemeldet).
Berechnete/exakte Massen umfassen ExactMass = 261.774663 und MonoisotopicMass = 259.777613.
Bestandteilsionen
Eine einfache ionische Dissoziation in diskrete Bestandteilsionen liegt für die anhydrid molekulare Verbindung in nichtwässrigen Medien nicht vor. In wässriger Umgebung hydrolysiert das Material und setzt dabei Salzsäure frei sowie hydratisierte Zinn(IV)-Spezies; dies erzeugt freie Chlorid-Anionen (\(\ce{Cl-}\)), Hydronium-/Protonenaktivität (\(\ce{H+}\) / HCl) und verschiedene Zinnoxy- oder Hydroxy-Spezies (hydratisierte stannige Spezies und Hydrate wie dokumentierte Pentahydrate, Trihydrate und Tetrahydrate).
Identifikatoren und Synonyme
Registrierungsnummern und Codes
- CAS RN: 7646-78-8
- EG-Nummer: 231-588-9
- UN-Nummer (Versand): UN 1827
- InChI (laut berechneten Deskriptoren):
InChI=1S/4ClH.Sn/h4*1H;/q;;;;+4/p-4 - InChIKey:
HPGGPRDJHPYFRM-UHFFFAOYSA-J - SMILES:
Cl[Sn](Cl)(Cl)Cl - DSSTox Substance ID: DTXSID1029679
(Identifikatoren sind exakt wie in Lieferanten- und Registereinträgen angegeben dargestellt.)
Synonyme und gängige Bezeichnungen
Gängige Namen und Synonyme in autoritativen Verzeichnissen sind: stanniges Chlorid; Zinntetrachlorid; Zinn(IV)-chlorid; Tetrachlorostannan; SnCl4; anhydrides stanniges Chlorid; Zinn(IV)-Tetrachlorid. Der berechnete IUPAC-Name lautet Tetrachlorostannan.
Industrielle und Kommerzielle Anwendungen
Funktionelle Rollen und Anwendungsbereiche
Zinntetrachlorid wird industriell als Rohstoff und Zwischenprodukt für die Herstellung anderer Zinnverbindungen (einschließlich Organzinn-Derivate) und für die Abscheidung von Zinnoxid-Beschichtungen in Oberflächenbehandlungsprozessen verwendet. Es dient als Lewis-Säure-Katalysator in der organischen Synthese (Friedel–Crafts-Acylierung und -Alkylierung, Cyclisierung, Veresterung, Halogenierung, Polymerisation und Vernetzungsreaktionen). Weitere Anwendungen umfassen die Verwendung als Beizmittel und Stabilisator in Textil- und Seifenanwendungen, als Dehydratisierungsmittel in speziellen organischen Synthesen sowie in Spezialformulierungen für Glasbehandlung und Herstellung sensibilisierten Papiers.
Wichtige industrielle Sektoren mit potenzieller Exposition sind die anorganische Grundchemikalienherstellung, Glasherstellung, Farbstoff- und Pigmentproduktion, Textilverarbeitung und Kunststoff-/Materialherstellung.
Typische Anwendungsbeispiele
- Katalysator für Friedel-Crafts-Reaktionen und andere Lewis-Säure-vermittelte Umwandlungen in der organischen Synthese.
- Ausgangsstoff bei der Herstellung von Organzinnverbindungen (Katalysatoren, Stabilisatoren, Biozide in nachgeschalteten Chemikalien).
- Oberflächenbehandlung: Erzeugung von Zinn(IV)-oxid-Schichten aus chloridhaltigen Lösungen zur Verbesserung der Abriebfestigkeit, Leitfähigkeit oder Reflexionseigenschaften von Substraten.
- Verwendung als Beizmittel und Stabilisator beim Textilfärben sowie bei der Stabilisierung von Spezialseifen und Parfüms.
- Kommerziell erhältlich sind wasserfreies \(\ce{Cl4Sn}\), Hydrate (Pentahydrat etc.) sowie proprietäre Lösungen für spezifische Anwendungen; gängige Handelsqualitäten umfassen technische und chemisch reine (CP) Ausführungen.
Für eine prägnante Zusammenfassung der Anwendungen über diese Beispiele hinaus sollten produktspezifische technische Unterlagen oder technische Datenblätter des Lieferanten herangezogen werden.
Sicherheits- und Handhabungsübersicht
Gesundheits- und Umweltgefahren
Zinn(IV)-chlorid ist ein korrosives, wasserreaktives und toxisches Material in Dampf- oder flüssiger Form. Gefährdungshinweise umfassen starke Hautverätzungen und Augenschäden, Reizungen der Atemwege sowie potenzielle Organschäden bei wiederholter Exposition; akute Inhalation kann bei ausreichend hohen Konzentrationen tödlich sein. Die Exposition über Inhalation, Haut- oder Augenkontakt kann schwere Reizungen, chemische Verätzungen und respiratorische Symptome hervorrufen. Der Stoff ist für aquatische Organismen schädlich und bei Freisetzung umweltgefährlich; eine unkontrollierte Einleitung in Gewässer ist zu vermeiden. Gemessene arbeitsplatzbezogene Expositionsgrenzwerte für anorganische Zinnverbindungen (bezogen auf Zinn) liegen bei 2,0 \(\mathrm{mg}\,\mathrm{m}^{-3}\) (PEL/TLV) – angegeben als "2,0 [mg/m3], as Sn".
Erste-Hilfe-Maßnahmen: Bei Inhalation an frische Luft bringen und ärztliche Hilfe aufsuchen; bei Haut- oder Augenkontakt großzügig mit Wasser spülen und sofort medizinische Versorgung sichern; nach Verschlucken kein Erbrechen herbeiführen – umgehend Notfallmedizin hinzuziehen. Im Brandfall oder bei Zwischenfällen Kontakt mit Wasser am Bulk-Material vermeiden (Wasserkontakt erzeugt stark saure Dämpfe), jedoch hängen Brandbekämpfungsmaßnahmen vom Ausmaß und den Umständen ab.
Für detaillierte Angaben zu Gefahren, Transport und Vorschriften sind das produktspezifische Sicherheitsdatenblatt (SDS) sowie die jeweils gültige lokale Gesetzgebung zu konsultieren.
Lagerungs- und Handhabungshinweise
In einem kühlen, trockenen, gut belüfteten Bereich in fest verschlossenen Behältern unter trockenen, inerten Bedingungen lagern, um Feuchtigkeit auszuschließen und Hydrolyse zu verhindern. Die Behälter müssen mit starken Lewis-Säuren kompatibel und korrosionsbeständig sein; von inkompatiblen Stoffen wie starken Basen, Wasser, Alkoholen, Oxidationsmitteln und reaktiven organischen Verbindungen fernhalten. Lokale Absaugung und technische Schutzmaßnahmen sollten eingesetzt werden, um die Luftkonzentration zu begrenzen; bei Bedarf Verwendung von Prozessumhausung und Inertisierung. Persönliche Schutzausrüstung umfasst undurchlässige Handschuhe, Augen-/Gesichtsschutz (spritzwassergeschützte Schutzbrille und Gesichtsschutz), Schutzkleidung und bei potenzieller Inhalationsgefahr geeignete Atemschutzgeräte (technische Schutzmaßnahmen haben Vorrang). Notfallausrüstung – Augenspülstation und Sicherheit Dusche – sollte in den Arbeitsbereichen verfügbar sein.
Bei Verschüttungen: Bereich absperren, Eindringen in Gewässer verhindern, Dämpfe mit Wassernebel aus sicherer Entfernung kontrollieren (kein direktes Aufsprühen von Wasser auf die Flüssigkeit), und mit geeigneten trockenen, inertem Materialien (trockenem Sand, Erde) neutralisieren/absorbieren, anschließend vorschriftsgerecht entsorgen. Zur Brandbekämpfung trockene Chemikalien, CO2 oder geeignete Löschmittel für umliegende Brände einsetzen; ggf. kühlen der Behälter mit Wassersprühnebel, jedoch Wasserkontakt mit Bulk-Material vermeiden.
Für vollständige betriebliche Kontrollen, Transportverpackungen und Notfallmaßnahmen sind das SDS und geltende Transportvorschriften zu beachten.