Chlorambucil (305-03-3) Physikalische und chemische Eigenschaften
Chlorambucil
Orale aktive aromatische stickstoffhaltige Senf-Alkylierungssubstanz, geliefert als cremeweißes kristallines Wirkstoffpulver zur Verwendung als Wirkstoff (API) oder als Referenzstandard, erfordert zytotoxische Handhabung und kontrollierte Qualitätsprüfung.
| CAS-Nummer | 305-03-3 |
| Familie | Stickstoff-Senf (Alkylanz) |
| Typische Form | Pulver oder kristalliner Feststoff |
| Gängige Grade | BP, EP, USP |
Chlorambucil ist ein aromatisches stickstoffhaltiges Senf-Kleinmolekül, das standardmäßig als monocarboxylische Säure mit einer para-substituierten Anilin-Funktionalität klassifiziert wird: die para-Position einer Phenylbuttersäure ist mit einer N,N-bis(2-chlorethyl)amino-Gruppe substituiert. Seine Summenformel lautet \(\ce{C14H19Cl2NO2}\). Strukturell kombiniert das Molekül eine schwach saure Carbonsäure-Frontgruppe mit einem lipophilen aromatischen Spacer und zwei alkylierenden Chlorethyl-Armen; diese Anordnung begründet sowohl die oral verfügbare Arzneimittelcharakteristik als auch die elektrophile Reaktivität, die für Stickstoff-Senfe typisch ist.
Elektronisch ist das Molekül moderat polar (topologische polare Oberflächenfläche 40,5 Å^2), behält dabei jedoch ausreichend hydrophobe Fläche für Membranpermeabilität bei; der berechnete XLogP-Wert beträgt 1,7 und experimentelle log Kow-Werte nahe 1,70 werden für Umwelt-Verteilungsschätzungen verwendet. Das Molekül ist eine schwache Säure (\(\mathrm{p}K_a \approx 5,75\)) und liegt physiologisch pH-abhängig teilweise ionisiert vor, was die wässrige Löslichkeit der anionischen Form gegenüber der neutralen freien Säure erhöht. Die tertiäre Aminogruppe ist in neutraler Form nicht protoniert, bietet aber Reaktionsstellen für Alkylierungen nach metabolischer Aktivierung oder direkter Reaktion der Chlorethyl-Gruppen mit Nucleophilen (DNA/Protein).
Aus Sicht der Anwendung und Handhabung ist Chlorambucil ein fester, oral wirksamer alkylierender Wirkstoff, der als Antineoplastikum und in ausgewählten Indikationen als Immunsuppressivum eingesetzt wird. Die Substanz ist chemisch reaktiv gegenüber Nucleophilen (typisch für die alkylierende Wirkungsweise), licht- und temperaturempfindlich und erfordert kontrollierte Handhabung aufgrund ihrer mutagenen, karzinogenen und reproduktionstoxischen Gefahren. Gängige kommerzielle Qualitätsgrade schließen BP, EP, USP ein.
Grundlegende physikochemische Eigenschaften
Chlorambucil ist ein cremeweißes bis blassbeiges kristallines oder körniges Pulver mit leichtem Geruch. Die Substanz ist bei Raumtemperatur fest; berichtete kristalline Morphologien umfassen abgeflachte Nadeln und feine weiße Kristalle. Der Feststoff ist licht- und wärmeempfindlich und sollte vor längerer Exposition geschützt werden.
Dichte und Feststoffform
Für diese Eigenschaft liegen aktuell keine experimentell gesicherten Werte vor.
Beobachtete Feststoffbeschreibungen aus Herstellungs- und Analysereports: cremeweiß/leicht körniges Pulver; abgeflachte Nadeln bei Kristallisation aus Petroleumether; feine weiße Kristalle. Diese Beschreibungen entsprechen einem wasserfreien kristallinen Kleinmolekül, das unter Lösungsmittel-Kristallisation nadelartige Kristallformen ausbilden kann.
Schmelzpunkt
Experimentell gemessene Schmelzpunktwerte aus Analysen und Spezifikationstexten liegen bei 65–69 °C (auch als 147 bis 151 °F angegeben). Einzelwertangaben zeigen 65 °C in mehreren Quellen. Darstellung als analytischer Bereich und einzelne Messwerte: Schmelzpunkt ≈ 65–69 °C (147–151 °F in einem Datensatz).
Löslichkeit und Auflösungsverhalten
Gemessene und berichtete Löslichkeitsdaten sind variabel und solventspezifisch:
- Berichtete wässrige Löslichkeit: "weniger als 0,1 mg/mL bei 72 °F" (experimentelles Screening-Ergebnis).
- Berichteter Wert: 7,73e-02 g/L (entsprechende Zahlenangabe in analytischen Tabellen).
- pH-abhängige Löslichkeitsangabe: ">45,6 [µg/mL] (Mittelwert der Resultate bei pH 7,4)".
- Textuelle Beschreibungen: "unlöslich in Wasser ... Das Natriumsalz ist wasserlöslich."
- Löslichkeit des freien Säurestoffes bei 20 °C im Lösungsmittel: löslich in 1,5 Teilen Ethanol, 2 Teilen Aceton, 2,5 Teilen Chloroform und 2 Teilen Ethylacetat; ebenfalls löslich in Benzol und Ether; gut löslich in Säuren oder Laugen (entsprechend der Carbonsäurechemie und Salzbildung).
Das Auflösungsverhalten hängt somit stark vom Ionisationszustand ab: die freie Säure ist in wässriger Umgebung schlecht löslich, während die Salzformen (z.B. Natriumsalz) deutlich höhere wässrige Löslichkeit zeigen. Dies entspricht dem \(\mathrm{p}K_a\)-Wert (~5,75) und der üblichen pharmazeutischen Strategie, Salzformen oder Hilfsstoffe einzusetzen, um die wässrige Verfügbarkeit für orale Tabletten zu erhöhen.
Chemische Eigenschaften
Säure-Base-Verhalten und qualitative pKa
Chlorambucil ist eine monocarboxylische Säure (para-substituierte Phenylbuttersäure). Die berichtete Dissoziationskonstante ist \(\mathrm{p}K_a = 5,75\). Bei neutralem physiologischem pH liegt die Substanz als Mischung aus neutralen und anionischen Spezies vor, wobei die anionische (deprotonierte) Form oberhalb des \(\mathrm{p}K_a\) bevorzugt wird. Salzbildung (z.B. Natriumsalz) erhöht deutlich die wässrige Löslichkeit und beeinflusst auch das Hydrolyseprofil sowie die Handhabungseigenschaften.
Reaktivität und Stabilität
Reaktivitätsprofil: - Funktional ist Chlorambucil ein alkylierender Wirkstoff: Die zwei 2‑chlorethyl-Arme sind elektrophil und können mit Nukleophilen wie DNA-Basen und Protein-Seitenketten reagieren; dies begründet die pharmakologische Aktivität (DNA-Alkylierung und Quervernetzung) und toxikologische Gefahren (Mutagenität, Karzinogenität). - Wässrige Hydrolyse: wässrige Lösungen des Natriumsalzes unterliegen einer alkalikatalysierten Hydrolyse zur Hydroxyform unter stark basischen Bedingungen (Beispiel: Reaktion erfordert ca. 30 Minuten bei 37 °C und pH 11,5). Bei niedriger Temperatur findet kaum Hydrolyse statt (keine nennenswerte Hydrolyse innerhalb von 24 Stunden bei 5 °C für das Natriumsalz unter den berichten Bedingungen). - Umwelt- / abiotische Hydrolyse: Ein experimenteller Neutralhydrolyseratekonstante mit einer Halbwertszeit von ca. 1,7 Stunden bei 25 °C wurde unter wässrigen Bedingungen berichtet, was auf relativ schnelle Hydrolyse unter bestimmten Bedingungen hinweist. - Stabilität: Die Substanz ist licht- und wärmeempfindlich. Bei thermischer Zersetzung können Dämpfe oder Gase mit Chlorwasserstoff und Stickstoffoxiden freigesetzt werden; geeignete lokale Absaugung und thermische Kontrolle sind daher erforderlich.
Implikationen für Formulierung und Lagerung: Die Lagerung bei niedriger Temperatur, Lichtschutz und Vermeidung stark basischer wässriger Medien während Langzeitlagerung oder Handhabung wird empfohlen, um hydrolytischen Abbau zu minimieren und die Wirkstoffgehaltserhaltung zu gewährleisten.
Molekulare Parameter
Molekulargewicht und Formel
- Molekulare Formel: \(\ce{C14H19Cl2NO2}\).
- Molekulargewicht: 304,2 (berichteter berechneter Wert).
- Exakte / monoisotopische Masse: 303,0792842 (berichteter Wert).
Weitere berechnete Parameter: Anzahl schwerer Atome 19; formale Ladung 0; molekulare Komplexität 250.
LogP und strukturelle Merkmale
- Berechneter XLogP (berichteter Wert): 1,7.
- Experimentell/abgeleitete log Kow-Einträge, die als „log Kow = 1.70 bei pH 7,4“ in einigen Umweltberechnungen angegeben sind; alternative Literaturangaben beinhalten einen weiteren berichteten Wert von 3,9 (gelistet als zusätzlicher berichteter logP-Wert).
- Topologische polare Oberfläche (TPSA): 40,5.
- Wasserstoffbrücken-Donoren: 1; Wasserstoffbrücken-Akzeptoren: 3.
- Anzahl drehbarer Bindungen: 9.
Die Kombination aus moderatem logP und mittlerer TPSA stimmt mit der oralen Resorption überein (klinisch wird eine schnelle gastrointestinale Resorption berichtet), während das Vorhandensein mehrerer drehbarer Bindungen sowie das tertiäre Amin/Carboxylat-Motiv die konformationelle Flexibilität und das Salz/Formulierungsverhalten bestimmen.
Strukturelle Identifikatoren (SMILES, InChI)
- SMILES:
C1=CC(=CC=C1CCCC(=O)O)N(CCCl)CCCl - InChI:
InChI=1S/C14H19Cl2NO2/c15-8-10-17(11-9-16)13-6-4-12(5-7-13)2-1-3-14(18)19/h4-7H,1-3,8-11H2,(H,18,19) - InChIKey:
JCKYGMPEJWAADB-UHFFFAOYSA-N
(Die Identifikatoren werden unverändert als Strukturenschlüssel und Textkennungen für analytische und informatische Zwecke bereitgestellt.)
Kennungen und Synonyme
Registrierungsnummern und Codes
- CAS: 305-03-3
- EG-Nummer: 206-162-0
- UNII: 18D0SL7309
- Berichtete NSC-Nummern: 756674 und 3088
- ATC-Code: L01AA02
- Zusätzliche Repository-Identifikatoren und Registriercodes existieren in analytischen und pharmakologischen Datenbanken und können für Beschaffung und regulatorische Querverweise verwendet werden.
Synonyme und Nicht-Marken-Namen
Häufige Synonyme und INN/BAN-ähnliche Bezeichnungen umfassen (Auswahl aus kontrollierten Listen): Chlorambucil; 4-[4-[bis(2-chlorethyl)amino]phenyl]butansäure; 4-(bis(2-chlorethyl)amino)benzenbutansäure; Leukeran; Amboclorin; Ambochlorin; Lympholysin; NSC-3088. Mehrere alternative systematische und triviale Synonyme existieren in pharmakopöischem und chemischem Lieferantennomenklatur.
Industrielle und pharmazeutische Anwendungen
Rolle als Wirkstoff oder Zwischenprodukt
Chlorambucil wird klinisch als oral verabreichter antineoplastischer alkylierender Wirkstoff eingesetzt. Es fungiert als DNA-alkylierendes Mittel, das Mono-Addukte und Interstrang-Quervernetzungen bilden kann, wodurch die DNA-Replikation gehemmt und Cytotoxizität in proliferierenden Zellen ausgelöst wird. Es wird hauptsächlich in palliativen und krankheitsmodifizierenden Therapien für ausgewählte hämatologische Malignome und bestimmte immunvermittelte Erkrankungen angewandt, bei denen eine langsam wirkende Alkylierung therapeutisch sinnvoll ist. Klinisch relevante Eigenschaften umfassen schnelle orale Resorption, umfangreiche Plasmaproteinbindung sowie hepatischen Metabolismus zu aktiven bifunktionellen Metaboliten.
Formulierungs- und Entwicklungszusammenhänge
Typische kommerzielle und pharmakopöische Darreichungsformen umfassen orale Feststoffformulierungen (Tabletten) mit 2 mg Wirkstoff; Schüttgutpulverqualitäten werden zur Tablettenherstellung verwendet. Die freie Säure ist der typische Wirkstoff, Salzformen (z. B. Natriumsalz) werden eingesetzt, wenn eine erhöhte Wasserlöslichkeit oder andere Handhabungseigenschaften während der Formulierung erforderlich sind. Das Formulierungsdesign muss Licht-/Hitzesensitivität, geringe intrinsische Wasserlöslichkeit der freien Säure sowie die Reaktivität der Verbindung als Alkylierungsmittel berücksichtigen; Herstellungsprozesse erfordern aufgrund der Toxizität Maßnahmen zur Eindämmung und Kontaminationskontrolle.
Spezifikationen und Qualitäten
Typische Qualitätsklassen (pharmazeutisch, analytisch, technisch)
Typische handelsübliche/pharmakopöische Qualitätsbezeichnungen für Chlorambucil umfassen: BP, EP, USP. In der Praxis treten folgende qualitative Qualitätsklassen auf: - Pharmazeutische (pharmakopöische) Qualität für die Herstellung von Fertigarzneimitteln. - Analytische Referenzstandards für Bestimmung, Stabilitäts- und Methodenentwicklung. - Technische/chemische Lieferqualitäten für Forschung und nichtklinische Anwendungen.
Allgemeine Qualitätsmerkmale (qualitative Beschreibung)
Qualitätsmerkmale von Interesse für Beschaffung und Qualitätskontrolle umfassen: - Gehalt an Wirkstoff (Pharmakopöische Monographien legen Identität und Gehaltskriterien in zugelassenen Standards fest). - Aussehen und Kristallinität (cremeweiß bis blassbeiger kristalliner Feststoff). - Grenzwerte für Restlösungsmittel und Schwermetalle passend zum Verwendungszweck (analytisch oder pharmazeutisch). - Feuchtigkeitsgehalt, Partikelgrößenverteilung und polymorphe Form, die die Auflösungsrate der freien Säure beeinflussen können. - Da Chlorambucil ein alkylierendes und toxisches Mittel ist, liefern Anbieter das Material üblicherweise mit Zertifikaten der Analyse und kontrollierter Verpackung; spezifische numerische Verunreinigungsgrenzen oder Analysebereiche, die in Herstellungsdokumentationen angegeben sind, sollten in Produktunterlagen geprüft werden.
Bei Bedarf an produktspezifischen Spezifikationen konsultieren Sie das jeweilige Herstellerzertifikat und die pharmakopöische Monographie der gewählten Qualität.
Sicherheits- und Handhabungsübersicht
Toxikologisches Profil und Expositionsaspekte
Chlorambucil ist eine alkylierende zytotoxische Verbindung mit erheblichem Potenzial für systemische Toxizität. Wichtige toxikologische Punkte: - Mechanismusbedingte Gefahren: Fähigkeit zur DNA-Alkylierung und Bildung von Quervernetzungen; mutagene und karzinogene Eigenschaften im Zusammenhang mit der alkylierenden Funktion. - Potenzial für reproduktive und entwicklungsbedingte Toxizität; Dokumentationen zu Unfruchtbarkeit und Teratogenität. - Hämatologische Toxizität ist dosislimitierend bei therapeutischer Anwendung (Knochenmarksuppression, Leukopenie, Thrombozytopenie, Anämie). - Akute Exposition kann gastrointestinale, neurologische und systemische Effekte verursachen; chronische und hochdosierte Expositionen sind mit erhöhtem Risiko für sekundäre Malignome verbunden. - Proteinbindung ist hoch (~99 %), was Verteilung, Clearance und potenzielle Arzneimittelwechselwirkungen beeinflusst.
Berufsbedingte Expositionswege: Hautkontakt, Inhalation von Stäuben und versehentliche Einnahme. Klinische Handhabung erfordert strikte Eindämmung und fachärztliche Überwachung bei Patientengabe.
Für detaillierte Gefahren-, Transport- und Regulierungsinformationen verweisen Anwender auf das produktspezifische Sicherheitsdatenblatt (SDS) und die örtlichen Vorschriften.
Lagern und Handhabungsempfehlungen
Allgemeine Lager- und Handhabungsempfehlungen basierend auf Formulierungs- und Sicherheitsdaten: - Lagerung: Vor Licht und Wärme schützen; in luftdicht verschlossenen, lichtundurchlässigen Behältern unter Kühllagerung aufbewahren (empfohlen 2 bis 8 °C), sofern in der Produktkennzeichnung angegeben. - Handhabung: Wägevorgänge, Herstellung und Abfüllung in geschlossenen Systemen (biologische Sicherheitswerkbank oder spezielle Eindämmungshaube) mit geeigneter lokaler Absaugung und HEPA-Filtration durchführen; Doppelhandschuhe und undurchlässige Schutzkleidung tragen; Spritzschutzbrillen oder Gesichtsschutz bei Flüssighandhabung verwenden. - Atemschutz: Bei der Freisetzung von Pulvern oder Aerosolen Verwendung eines NIOSH-zertifizierten Atemschutzgeräts mit passenden Filtern als Ergänzung technischer Schutzmaßnahmen. - Verschüttungen und Reinigung: Verschüttungen als gefährliche pharmazeutische Kontamination behandeln; spezielle Verschüttungskits, Nassreinigung mit geeigneten Dekontaminationsmitteln und Abfallbegrenzung in verschlossenen Gefahrstoffbehältern verwenden; Trockenkehrung und unkontrolliertes Absaugen ohne HEPA-Filter vermeiden. - Entsorgung: Kontaminiertes Material und abgelaufene Produkte über zugelassene Gefahrstoffentsorgungswege entsprechend nationaler und lokaler Vorschriften entsorgen; Entsorgung über kommunale Abfallwege vermeiden.
Notfall- und medizinische Maßnahmen: Sofortige Dekontamination bei Haut-/Augenkontakt, Entfernung von der Expositionsquelle sowie schnelle ärztliche Untersuchung bei Einnahme oder signifikanter Inhalation. Berufsmedizinische Überwachung und Schulung werden für Personen empfohlen, die regelmäßig mit dem Stoff umgehen.
Für Tätigkeiten in Formulierung, Herstellung oder klinischer Aufbereitung sind institutionelle Verfahren zum Umgang mit gefährlichen Arzneimitteln sowie das spezifische SDS zu beachten.