Ethambutol (74-55-5) Physikalische und chemische Eigenschaften
Ethambutol
Ein aus Ethylendiamin abgeleiteter kleiner Molekülwirkstoff mit antimykobakterieller Aktivität, der üblicherweise als kristalliner Wirkstoff oder Salz für pharmazeutische Formulierungen und Entwicklungen gehandhabt wird.
| CAS-Nummer | 74-55-5 |
| Familie | Ethylendiamine |
| Typische Form | Weißes kristallines Pulver / Feststoff |
| Übliche Qualitäten | EP |
Ethambutol ist ein aliphatisches Ethylendiamin-Derivat mit zwei chiralen 1-Hydroxybutan-2-yl-Substituenten an den Stickstoffatomen (S,S-Stereochemie im aktiven Enantiomer). Strukturell handelt es sich um ein kleines, flexibles Diamin–Diol mit zwei sekundären Aminfunktionen und zwei sekundären Alkoholen entlang eines acht-Kohlenstoff-Rückgrats; die berechnete Summenformel lautet \(\ce{C10H24N2O2}\). Die polare Funktionalität des Moleküls (zwei basische Stickstoffe und zwei wasserstoffbrückenbildende Alkohole) sowie die moderate Molekülgröße führen zu einer hohen topologischen polaren Oberflächenfläche (TPSA = 64,5 Å^2) und niedriger Lipophilie, was mit guter wässriger Löslichkeit der freien Base und der Bildung wasserlöslicher Salze (besonders des Dihydrochlorids) übereinstimmt.
Aufgrund der zwei basischen Zentren verhält sich Ethambutol unter physiologischen Bedingungen als polybasisches aliphatisches Amin und wird klinisch üblicherweise als Hydrochloridsalz geliefert und dosiert, um Feststoff- und Löslichkeitseigenschaften zu kontrollieren. Das Vorhandensein von zwei Hydroxygruppen und zwei Aminen bietet mehrere Wasserstoffbrückendonoren und -akzeptoren (Anzahl H‑Brücken-Donoren = 4; Anzahl H‑Brücken-Akzeptoren = 4), was zu geringer Membranpermeabilität beiträgt (XLogP ≈ −0,1; experimentelle logP-Werte aus der Literatur liegen zwischen ca. 0,4 und −0,3) und eine renale Ausscheidung des unveränderten Wirkstoffs begünstigt. Die freie Base sowie die Salzformen sind chemisch stabil gegenüber Licht und Wärme bei normaler Handhabung, jedoch hygroskopisch und neigen zur Feuchtigkeitsaufnahme bei hoher relativer Luftfeuchtigkeit; oxidative Abbauwege sind biologisch relevanter (metabolische Oxidation des Alkohols zu einem Aldehyd und anschließend zu einer Dicarbonsäure).
Ethambutol ist ein etabliertes antituberkulöses Mittel, das als Begleitwirkstoff in Kombinationstherapien gegen Tuberkulose eingesetzt wird; es wird als orale Tabletten und als Hydrochloridsalzform zur medizinischen Anwendung formuliert. Übliche kommerzielle Qualitäten dieses Stoffes sind z.B.: EP.
Grundlegende physikochemische Eigenschaften
Dichte und Feststoffform
- Physikalische Beschreibung: Feststoff.
- Farbe / Form: Kristalle; WEISSES KRISTALLINES PULVER.
- Optische Eigenschaften, berichtet für Probenchargen: spezifische optische Drehungen (Beispiele: +3 Grad bei 20 \(\mathrm{°C}\)/D (c = 5 % wässrig); +13,7 Grad bei 25 \(\mathrm{°C}\)/D (c = 2 wässrig); weitere Werte ebenfalls dokumentiert).
- Kristallstrukturdaten (ausgewählte gemeldete Zellparameter und Symmetrie):
- Hermann–Mauguin-Gruppensymbol: P 1 21 1; Hall-Raumgruppensymbol: P 2yb; Raumgruppen-Nummer: 4.
- Einheitszelle (Beispielsatz 1): a = 7,157, b = 8,440, c = 10,193; α = 90,00°, β = 95,631°, γ = 90,00°; Z = 2; Z' = 1; Restfaktor = 0,0606.
- Einheitszelle (Beispielsatz 2): a = 7,1428, b = 8,4149, c = 10,1973; α = 90,00°, β = 95,633°, γ = 90,00°; Z = 2; Z' = 1; Restfaktor = 0,0526.
- Feststoffbezogene Betrachtungen: Die freie Base sowie die Salzformen zeigen unterschiedliche Schmelz- und Löslichkeitsverhalten; Hygroskopizität bei hoher Luftfeuchte ist eine praktische Überlegung für Lagerung und Tablettenformulierung.
Schmelzpunkt
Gemeldete Schmelzpunkte (Werte gemäß Quelle): - 171,5–174,5 \(\mathrm{°C}\) - 87,5–88,8 \(\mathrm{°C}\) - 88 \(\mathrm{°C}\)
Weitere experimentelle Schmelzpunktangaben (proben-/salzabhängig): - MP: 198,5–200,3 \(\mathrm{°C}\); auch gemeldet als MP 201,8–202,6 \(\mathrm{°C}\). - Weißes Pulver, kristallisiert nadelförmig, MP 121–122 \(\mathrm{°C}\) (Zersetzung) (für eine spezifische Form berichtet).
Hinweis: Die verschiedenen Schmelzpunktbereiche reflektieren unterschiedliche kristalline Formen, Salze (Dihydrochlorid vs. freie Base) und experimentelle Bedingungen.
Löslichkeit und Lösungsverhalten
- Gemeldete Löslichkeitsdaten (Werte gemäß Quelle):
- "1000" (Wert ohne Einheit in der Quelle).
- Löslich in Chloroform, Methylenchlorid; weniger löslich in Benzol; schwer löslich in Wasser.
- 7,58 g/L.
- Zusätzliche Hinweise zur Löslichkeit: löslich in Wasser und DMSO; schwer löslich in Ethanol; schlecht löslich oder schwer löslich in Aceton und Chloroform für bestimmte Salz-/Formvarianten (Hinweis: Löslichkeit stark abhängig von freier Base vs. Dihydrochlorid).
- Praktische Bedeutung: Das Hydrochloridsalz wird in pharmazeutischen Formulierungen verwendet, um die wässrige Löslichkeit zu verbessern und eine verlässliche Auflösung bei oraler Gabe sicherzustellen.
Chemische Eigenschaften
Azid-Base-Verhalten und qualitative pKa
- Kein experimentell bestätigter Wert für diese Eigenschaft im aktuellen Datenkontext verfügbar.
- Qualitative Bewertung: Ethambutol enthält zwei aliphatische sekundäre Aminzentren, die unter mild sauren bis physiologischen Bedingungen protonierbar sind; die Bildung des Dihydrochlorid-Salzes ist für pharmazeutische Formulierungen üblich. Die Protonierung erhöht die wässrige Löslichkeit und verringert die Membranpartition; das Molekül verhält sich daher bei niedrigem bis neutralem \(\mathrm{pH}\) als hydrophiles, kationisches Spezies.
Reaktivität und Stabilität
- Berichtete Stabilität: "STABIL GEGEN LICHT & HITZE, JEDOCH HYGROSKOPISCH BEI HOHER RELATIVER LUFTFEUCHTIGKEIT."
- Chemische Reaktivität: Unter normalen Handhabungsbedingungen ist Ethambutol chemisch stabil; oxidative Umwandlung der Alkoholgruppen ist in metabolischen Kontexten relevant (Oxidation zu einem Aldehyd-Zwischenprodukt und Umwandlung zu einer Dicarbonsäure wurde biologisch nachgewiesen). Hydrolytischer Spalt ist kein typischer Abbauweg für das intakte Molekül unter normalen Lagerbedingungen.
- Handhabungshinweis: Feuchtigkeitskontrolle (Vermeidung hoher relativer Luftfeuchtigkeit), Schutz vor längerer Wasserexposition während der Verarbeitung und Auswahl der geeigneten Salzform sind entscheidend zur Sicherstellung der Haltbarkeit und reproduzierbaren Auflösung.
Molekulare Parameter
Molekulargewicht und Formel
- Molekularformel: \(\ce{C10H24N2O2}\).
- Molekulargewicht: 204,31 (gemeldeter Wert).
- Exakte Masse / monoisotopische Masse: 204,183778013.
Weitere berechnete Deskriptoren: - Anzahl schwerer Atome: 14. - Formale Ladung: 0. - Anzahl definierter stereogener Zentren: 2. - Komplexität: 109.
LogP und strukturelle Merkmale
- Berechneter XLogP3‑AA: −0,1.
- Experimentelle/log Literaturwerte: 0,4; −0,3.
- Polare Oberfläche und H‑Brückenbindung: TPSA = 64,5; Anzahl Wasserstoffbrückendonoren = 4; Anzahl H‑Brückenakzeptoren = 4.
- Anzahl drehbarer Bindungen: 9.
- Interpretation: Die niedrigen/nahe Null liegenden logP-Werte, die substanzielle TPSA und die Vielzahl von H‑Brückendonoren/-akzeptoren deuten auf ein hochpolares, niedrig lipophiles Profil hin, das mit renaler Ausscheidung der neutralen beziehungsweise Salzform und begrenzter passiver Diffusion durch lipophile Membranen übereinstimmt. Die zwei protonierbaren Aminzentren dominieren die Azid-Base- und Salzkristallchemie.
Strukturelle Identifikatoren (SMILES, InChI)
- SMILES:
CC[C@@H](CO)NCCN[C@@H](CC)CO - InChI:
InChI=1S/C10H24N2O2/c1-3-9(7-13)11-5-6-12-10(4-2)8-14/h9-14H,3-8H2,1-2H3/t9-,10-/m0/s1 - InChIKey:
AEUTYOVWOVBAKS-UWVGGRQHSA-N
Bezeichner und Synonyme
Registriernummern und Codes
- CAS-Nummer: 74-55-5
- Weitere Bezeichner, die in verfügbaren technischen Unterlagen angegeben sind: Europäische Gemeinschaft (EG) Nummer 200-810-6; UNII 8G167061QZ; ChEBI CHEBI:4877; ChEMBL CHEMBL44884; DrugBank DB00330; ATC-Code J04AK02.
Synonyme und markenunabhängige Namen
Ausgewählte Synonyme und systematische Namen, die in Lieferanten- und behördlichen Listen angegeben sind: - Ethambutol - Ethambutolum - Diambutol - Myambutol - EMB - (2S)-2-[2-[[(2S)-1-Hydroxybutan-2-yl]amino]ethylamino]butan-1-ol - (+)-N,N'-Bis(1-(hydroxymethyl)propyl)ethylenediamin
(Mehrere weitere Einreicher- und historische Synonyme existieren; die oben genannten sind Beispiele aus autoritativen Bezeichnerlisten.)
Industrielle und pharmazeutische Anwendungen
Rolle als Wirkstoff oder Zwischenprodukt
- Ethambutol wirkt klinisch als antituberkuläres Mittel mit bakteriostatischer Wirkung gegen sich aktiv teilende Mycobacterium-Arten; der Wirkmechanismus beruht auf der Hemmung von mykobakteriellen Arabinosyltransferasen (embA, embB, embC), was zu einer gestörten Synthese von Arabinan und Arabinogalaktan in der Zellwand führt. Es wird in Kombinationstherapien für pulmonale und extrapulmonale Tuberkulose eingesetzt, um die Entstehung resistenter Stämme zu reduzieren.
- Formulierung: üblicherweise als Dihydrochlorid-Salz für orale Tabletten und als spezifizierte parenterale Lösungen in einigen Formulierungsvorschriften erhältlich; sowohl die freie Base als auch die Hydrochlorid-Formen werden in der Herstellung und in analytischen Laboren verwendet.
Formulierungs- und Entwicklungskontexte
- Typische berichtete Formulierungsformen: orale Tabletten (z. B. 100 mg und 400 mg Hydrochlorid-Tabletten; auch dispergierbare Tablettenformen sind gemeldet) und parenterale Injektionen, wo klinisch indiziert.
- Entwicklungsaspekte: Auswahl des Hydrochlorid-Salzes zur Sicherstellung einer konsistenten wässrigen Löslichkeit und Handhabung; Hygroskopizität erfordert feuchtigkeitsschützende Verpackungen. Die chirale Zusammensetzung ist entscheidend – der pharmakologisch bevorzugte Enantiomer und historische Hinweise darauf, dass D- und L-Isomere unterschiedliche Aktivitäts-/Toxizitätsprofile aufweisen, beeinflussen Herstellung und Qualitätskontrollstrategien.
Spezifikationen und Gütekategorien
Typische Güteklassen (pharmazeutisch, analytisch, technisch)
- Typische handelsübliche Gütekonzepte für Ethambutol umfassen:
- Pharmazeutische (pharmakopöisch) Qualität — für die Herstellung von Fertigarzneimitteln, mit definiertem Salzform- und Verunreinigungskontrollen.
- Analytische Qualität — hohe Reinheitsstandards für Methodenentwicklung und Referenzmaterialien.
- Technische Qualität — für nicht-klinische oder industrielle Anwendungen, bei denen niedrigere Reinheitsanforderungen akzeptabel sein können.
- Falls als Salz geliefert, spezifiziert die pharmakopöische Monographie (sofern zutreffend) die Salzform (üblich Dihydrochlorid) und die geeigneten Qualitätsmerkmale für pharmazeutische Verwendung.
Folgendes handelsübliche Gütekennzeichen wurde für diesen Stoff gemeldet: - EP
Allgemeine Qualitätsmerkmale (qualitative Beschreibung)
- Wichtige qualitative Qualitätsmerkmale: korrekte Salzform (freie Base vs. Dihydrochlorid), enantiomere Reinheit (aufgrund der stereochemischen Abhängigkeit von Aktivität und Toxizität), niedriger Wassergehalt und Schutz vor hygroskopischer Aufnahme, Kontrolle von Restlösungsmitteln und verwandten organischen Verunreinigungen sowie definierte Gehalts- und Verunreinigungsprofile für pharmazeutische Anwendungen. Stabilitätstests sollten Feuchtigkeitsaufnahme sowie polymorphe/kris-talline Formübergänge berücksichtigen; Auflösungstests sind erforderlich, um eine adäquate Freisetzung aus oralen festen Darreichungsformen nachzuweisen.
Sicherheits- und Handhabungsübersicht
Toxikologisches Profil und Expositionsüberlegungen
- Haupttoxikologische Bedenken:
- Okuläre Neurotoxizität: Optikusneuritis ist der klinisch bedeutsamste unerwünschte Effekt (verminderte Sehschärfe, zentrales Skotom, Farbsehstörungen); das Risiko ist dosis- und therapiedauerabhängig und kann reversibel sein, wenn es frühzeitig erkannt und die Behandlung abgebrochen wird.
- Neurologische und periphere Effekte: periphere Neuropathien und weitere neuropsychiatrische Effekte wurden berichtet.
- Leberwirkungen: vorübergehende Aminotransferaseerhöhungen werden bei Kombinationstherapien beobachtet; klinisch manifeste Leberschäden sind selten, aber beschrieben.
- Weitere Effekte: Erhöhungen des Serum-Harnsäurespiegels und gelegentliche Gichtanfälle wurden bei einigen Patienten festgestellt.
- Akute Toxizitätsdaten: LD50 (Maus, oral) 2800 mg/kg (Bericht bezogen auf eine Mischung mit Isoniazid-Methansulfonat in einer toxikologischen Notiz).
- Berufliche Handhabung: Einnahme, Einatmen von Staub und Augenkontakt vermeiden; geeignete Handschuhe und Augenschutz verwenden sowie in gut belüfteten Bereichen oder mit lokalem Absaugsystem bei Pulverhandling arbeiten. Aufgrund des Potentials für Organ-toxizität bei wiederholter Exposition chronischen Hautkontakt vermeiden und Aerosolbildung minimieren.
Lagerungs- und Handhabungshinweise
- Berichtete Lagerbedingungen: vor Licht, Feuchtigkeit und übermäßiger Hitze schützen; möglichst in gut verschlossenen Behältern bei 15–30 \(\mathrm{°C}\) lagern; einige Empfehlungen besagen Lagerung unter 40 \(\mathrm{°C}\) (104 \(\mathrm{°F}\)), vorzugsweise zwischen 15 und 30 \(\mathrm{°C}\).
- Hygroskopisches Verhalten: niedrige relative Luftfeuchtigkeit und geeignete Trockenhaltung/Verpackung für Bulk-Pulver und Zwischenprodukte sicherstellen.
- Notfall- und behördliche Hinweise: Standardmaßnahmen zur Kontrolle von Verschüttungen und Entsorgung für pharmazeutische Wirkstoffe umsetzen; für detaillierte Gefahren-, Transport- und Regulierungsinformationen sollten Anwender das produktspezifische Sicherheitsdatenblatt (SDS) und lokale Vorschriften konsultieren.
Für klinischen oder labormäßigen Gebrauch sollten standardmäßige SDS-Anweisungen befolgt werden, und eine Überwachung der Sehfunktion (bei klinischer Behandlung) oder Expositionspräventionsmaßnahmen (in Herstellung und Qualitätskontrolle) entsprechend dem Anwendungsfall angewendet werden.