P-Anisidin (104-94-9) Physikalische und chemische Eigenschaften
P-Anisidin
Primäres aromatisches Amin (4‑Methoxyanilin), verwendet als analytisches Reagenz und Zwischenprodukt in der Synthese, häufig beschafft für Prozesschemie, Formulierungen und Qualitätskontroll-Workflows.
| CAS-Nummer | 104-94-9 |
| Familie | Anisole (substituierte Aniline) |
| Typische Form | Pulver oder kristalliner Feststoff |
| Gängige Qualitäten | BP, EP, JP, USP |
P‑Anisidin ist ein primäres aromatisches Amin aus der Anisol-Familie; strukturell handelt es sich um einen Anilinring mit einer para-Methoxy-Substituente und hat die Summenformel \(\ce{C7H9NO}\). Die Struktur besteht aus einem Phenylring, der an Position 4 mit einer Methoxygruppe und an Position 1 mit einer Aminogruppe substituiert ist, was ein resonanzstabilisiertes aromatisches Amin mit einer elektronendelokalisierten OCH3-Gruppe ergibt, die mit dem Anilinstickstoff konjugiert ist. Diese elektronische Anordnung erhöht die Elektronendichte des Rings im Vergleich zu Anilin, verändert die Basizität der Aminofunktion im Vergleich zu unsubstituiertem Anilin und beeinflusst sowohl die Nukleophilie als auch die Oxidationswege, die typisch für para-substituierte Aniline sind.
Das physikochemische Verhalten wird von der Kombination eines aromatischen primären Amins und einer Ether-(Methoxy-)Substituente bestimmt. Das Molekül ist schwach polar (topologische polare Oberfläche \(= 35.3\)), mit geringer Anzahl an Wasserstoffbrücken-Donoren (1) und moderater Wasserstoffbrücken-Akzeptor-Kapazität (2). Gemessene Verteilungskoeffizienten (log Kow/logP ≈ 0,9–0,95) deuten auf eine geringe bis mäßige Lipophilie hin; die basische Aminogruppe (angegebener \(\mathrm{p}K_a = 5,36\) bei \(25\,^\circ\mathrm{C}\)) bewirkt, dass die Verbindung unter mild sauren Bedingungen teilweise protoniert ist, was die wässrige Löslichkeit erhöht und die Flüchtigkeit unter diesen Bedingungen verringert. Die para-Methoxy-Substituente stabilisiert cationische und radikalische Zwischenprodukte bis zu einem gewissen Grad und beeinflusst so die Reaktivität bei elektrophiler Substitution, oxidativer Kupplung und N-Oxidationswegen.
P‑Anisidin wird industriell als Zwischenprodukt in der Farbstoffherstellung und als chemisches Reagenz (insbesondere beim analytischen Nachweis von Aldehyden und Ketonen) verwendet. Kommerziell ist es in verschiedenen analytischen und technischen Qualitäten erhältlich. Gängige Handelsqualitäten für diesen Stoff umfassen: BP, EP, JP, USP.
Grundlegende physikalische Eigenschaften
Dichte
Gemeldete Werte für Schüttdichte und spezifisches Gewicht umfassen: \(1,07\) (Einheit: g·cm⁻³, angegeben als „1.07 g/cm³“) sowie „1.071 bei 135 °F“ / „1.071 bei 57 °C/4 °C“. Diese Werte deuten auf einen dichter als Wasser fest vorliegenden Stoff sowie auf einige gemeldete Dichten im flüssigen Zustand bei Erwärmung hin; Prozess- und Temperaturbedingungen sollten bei der Verwendung eines einzelnen Dichtewertes zur Anlagenplanung berücksichtigt werden.
Schmelzpunkt
Gemeldete Schmelz- bzw. Fest-Flüssig-Übergangstemperaturen umfassen: \(57,2\,^\circ\mathrm{C}\) und „135 °F“ als gleichwertige Einträge. Unter Umgebungsbedingungen ist als Feststoff mit kristalliner, gelb-brauner Farbe zu rechnen.
Siedepunkt
Gemeldete Siedepunkte unter Normaldruck umfassen: \(243\,^\circ\mathrm{C}\) (auch angegeben als „243.00 °C. @ 760.00 mm Hg“) sowie entsprechende Fahrenheitwerte „469 °F“ und „475 °F“ in einigen Quellen. Für Destillations- oder Dampfhandhabungsprozesse sollte der explizite Wert \(243\,^\circ\mathrm{C}\) (760 mmHg) verwendet werden.
Dampfdruck
P‑Anisidin weist einen niedrigen Dampfdruck auf, charakteristisch für einen bei Raumtemperatur wenig flüchtigen Feststoff/Flüssigkeit. Repräsentative gemeldete Werte sind: - weniger als \(0,1\,\mathrm{mmHg}\) bei \(68\,^\circ\mathrm{F}\), - \(3,0 \times 10^{-2}\,\mathrm{mmHg}\) bei \(20\,^\circ\mathrm{C}\) (gemeldet als „3.0X10-2 mm Hg at 20 °C“), - Dampfdruck von \(0,03\,\mathrm{mmHg}\) in einer weiteren Quelle, - Dampfdruck von \(2\) Pa bei \(20\,^\circ\mathrm{C}\) in einem Datensatz, - und „0,006 mmHg (77 °F)“ in einer alternativen Aufstellung. Diese Werte spiegeln eine geringe Gleichgewichtsflüchtigkeit bei Standard-Umgebungstemperaturen wider schließen aber eine signifikante Emission in der Luft bei Erwärmung oder Vernebelung nicht aus.
Flammpunkt
Gemeldete Flammpunkte variieren je nach Messmethode und Probenzustand. Werte umfassen \(5\,^\circ\mathrm{C}\) (niedriger Wert in einer Liste), „41 °F“ in einer weiteren Quelle sowie „122 °C (251,6 °F) (geschlossenes Tiegelverfahren)“ in einer anderen Angabe. Aufgrund der erheblichen Unterschiede zwischen den Quellen ist das Material als brennbar zu behandeln und es sollten übliche Maßnahmen für leicht entzündliche Flüssigkeiten umgesetzt werden (Eliminierung von Zündquellen, Erdung/Blitzschutz, Temperaturkontrolle), bis produktspezifische Daten (Sicherheitsdatenblatt) zum gelieferten Batch vorliegen.
Chemische Eigenschaften
Löslichkeit und Phasenverhalten
Die wässrige Löslichkeit variiert je nach pH-Wert und Messeinheit. Repräsentative gemeldete Werte umfassen: - „In Wasser, 2,10 × 10+4 mg/L bei 20 °C“ (in numerischer Form), - „21 mg/mL bei 20 °C“, was numerisch konsistent mit dem obigen Wert ist, - „Löslichkeit in Wasser, g/100ml bei 20 °C: 2,2 (mäßig)“, - und „weniger als 1 mg/mL bei 68 °F“ in einer alternativen Quelle. Weitere Löslichkeiten: gut löslich in Aceton und Benzol; sehr gut löslich in Diethylether und Ethanol. Die Aminogruppe und deren Säure-Base-Gleichgewichte beeinflussen die Wassersolubilität stark: Protonierung erhöht die wässrige Löslichkeit nahe und unterhalb des \(\mathrm{p}K_a\) (\(\mathrm{p}K_a = 5,36\) bei \(25\,^\circ\mathrm{C}\)), während die neutrale freie Base nur begrenzte Wasserlöslichkeit, jedoch gute Löslichkeit in vielen organischen Lösungsmitteln zeigt.
Phasenverhalten: P‑Anisidin ist unter Umgebungsbedingungen ein kristalliner Feststoff (gelb bis braune Kristalle) und schmilzt oberhalb der Raumtemperatur. In Formulierungen kann der Stoff als Aerosol oder Staub auftreten, wenn trocken, und sollte kontrolliert werden, um Inhalationsexpositionen zu vermeiden.
Reaktivität und Stabilität
P‑Anisidin ist ein primäres aromatisches Amin mit einer elektronendonierenden Methoxy-Gruppe; relevante Reaktivitätsaspekte umfassen: - Empfindlichkeit gegenüber starken Oxidationsmitteln: Aromatische Amine oxidieren leicht, wobei potenziell gefährliche, gefärbte oder polymere Nebenprodukte und Stickoxid-Dämpfe bei thermischer Zersetzung entstehen können. - Unverträglichkeiten mit starken Säuren, starken Basen, Chloroformaten und anderen acylierenden Agenzien; Reaktionen mit Aldehyden/Ketonen können vor Ort Imin- oder Azo-Kupplungsprodukte bilden. - Thermische Zersetzung kann Stickoxide und andere toxische Dämpfe freisetzen; der Stoff kann unter bestimmten Bedingungen licht-, hitze- und feuchtigkeitsempfindlich sein. Lagerung und Handhabung sollten Kontakt mit Oxidationsmitteln und Materialien, die unkontrollierte Zersetzung oder Nitrierung fördern, vermeiden.
Thermodynamische Daten
Standardenthalpien und Wärmekapazität
Für diese Eigenschaft liegen im aktuellen Datenkontext keine experimentell bestätigten Werte vor.
Molekulare Parameter
Molekulargewicht und Formel
Molekularformel: \(\ce{C7H9NO}\).
Molekulargewicht: \(123,15\ \mathrm{g}\,\mathrm{mol}^{-1}\).
Exaktes/monoisotopisches Mass: \(123.068413911\) (angegeben als ExactMass / MonoisotopicMass).
Weitere berechnete Deskriptoren: Anzahl schwerer Atome = 9; formale Ladung = 0; molekulare Komplexität = 77.
LogP und Polarität
Berichtete Verteilungsparameter: XLogP = 0,9 (berechnet) und log Kow/logP in experimentellen Zusammenfassungen mit 0,95 angegeben. Topologische polare Oberfläche (TPSA) = 35,3 Ų. Diese Werte deuten auf eine niedrige bis moderate Lipophilie mit ausreichender Polarität für eine begrenzte wässrige Löslichkeit in der neutralen Form und eine erhöhte Löslichkeit bei Protonierung hin.
Strukturelle Merkmale
- Funktionelle Gruppen: primäres aromatisches Amin (–NH2) in para‑Position zu einer Methoxygruppe (–OCH3) an einem Benzolring.
- Wasserstoffbrückenbindung: ein H‑Brücken-Donor (NH2) und zwei H‑Brücken-Akzeptoren (O und N).
- Anzahl drehbarer Bindungen: 1 (typischerweise die Bindung, die den Sauerstoff der Methoxygruppe mit der Methylgruppe verbindet, oder Orientierung der Aminogruppe).
- Elektronische Effekte: die para‑Methoxygruppe ist eine elektronendonierende Gruppe (Resonanz- und induktive Effekte), die die Elektronendichte des Rings und des Amin-Stickstoffs erhöht und somit Basizität (beobachteter \(\mathrm{p}K_a = 5,36\)), Nukleophilie und Anfälligkeit für oxidative Reaktionen im Vergleich zu unsubstituiertem Anilin beeinflusst.
Identifikatoren und Synonyme
Registernummern und Codes
- CAS-Nummer: 104-94-9
- InChI:
InChI=1S/C7H9NO/c1-9-7-4-2-6(8)3-5-7/h2-5H,8H2,1H3 - InChIKey:
BHAAPTBBJKJZER-UHFFFAOYSA-N - SMILES:
COC1=CC=C(C=C1)N - EC-Nummern, berichtet in Datensätzen:
203-254-2und249-496-2 - UN-Nummer (in einigen Transportverzeichnissen angegeben):
2431 - Weitere berichtete Registerkennungen:
UNII: 575917SNR4,RTECS: BZ5450000,ChEBI: CHEBI:82388,ChEMBL: CHEMBL295652.
(Hier sind nur Codes und Registernummern aufgeführt, die in den Quellinformationen erscheinen.)
Synonyme und Strukturnamen
Verwendete gebräuchliche Synonyme sind unter anderem: 4‑Methoxyanilin; 4‑Anisidin; p‑Anisidin; para‑Anisidin; 4‑Methoxybenzenamin; 4‑Aminoanisol; p‑Methoxyanilin; Anilin, 4‑methoxy‑. Diese alternativen Namen spiegeln das identische para‑Substitutionsmuster wider und werden in industriellen sowie analytischen Kontexten synonym verwendet.
Industrielle und kommerzielle Anwendungen
Repräsentative Verwendungszwecke und Branchenbereiche
p‑Anisidin wird als Zwischenprodukt in der Farbstoffherstellung (Azo-Farbstoffe und verwandte Farbstoffklassen) und als analytisches Reagens zum Nachweis aldehydischer und ketonischer sekundärer Oxidationsprodukte in Fetten und Ölen verwendet (d. h. als Derivatisierungsreagenz zur Bestimmung von Carbonylgruppen). Die Verwendung als Zwischenprodukt in der organischen Synthese sowie als Baustein für Spezialchemikalien ist typisch für para‑substituierte Aniline.
Rolle in Synthese oder Formulierungen
In der Synthese fungiert p‑Anisidin als nukleophiles aromatisches Amin für Kupplungsreaktionen, Reduktionsreaktionen (aus Nitrovorstufen) und als Ausgangsstoff für geschützte oder derivatisierte Zwischenprodukte (z. B. Hydrochloridsalze). Seine Reaktivität gegenüber Carbonylverbindungen ist Grundlage für den Einsatz in analytischen Testkits zur Messung von Lipidoxidationsprodukten. Die Auswahl von p‑Anisidin in Formulierungen oder Synthesesequenzen wird typischerweise durch dessen para‑elektronendonierende Wirkung, die Verfügbarkeit der NH2-Gruppe für Acylierung oder Diazokupplung sowie handhabungsspezifische Aspekte hinsichtlich Toxikologie und Stabilität beeinflusst.
Sicherheits- und Handhabungsübersicht
Akute und berufliche Toxizität
p‑Anisidin ist ein aromatisches Amin mit dokumentierter systemischer Toxizität. Berichtertete akute Toxizitätswerte umfassen:
- LD50 (Ratte, oral): 1400 mg/kg
- LD50 (Ratte, dermal): 3200 mg/kg
- LD50 (Maus, oral): 1410 mg/kg
Zentrale toxikologische Bedenken betreffen Haut-, Augen- und Atemwegsreizungen sowie systemische Effekte auf Blut (einschließlich Methemoglobinbildung und hämolytischer Effekte wie Heinz-Körper-Bildung), Nieren und Leber. Klinisch berichtete Symptome bei Exposition sind Kopfschmerzen, Schwindel, Zyanose und in schweren Fällen Atemnot. Chronische oder wiederholte Exposition wurde in Tierversuchen mit hämatologischen Effekten und Organtoxizität in Verbindung gebracht; Karzinogenitätsbewertungen sind nicht eindeutig (in einigen Bewertungen nicht klassifizierbar).
Berufliche Expositionsgrenzwerte in industriellen Richtlinien umfassen TWA-Werte um \(0,5\ \mathrm{mg}\,\mathrm{m}^{-3}\) (Hautbezeichnung) für die 8‑Stunden-Zeitgewichtete Durchschnittskonzentration; ein IDLH-Wert von \(50\ \mathrm{mg}\,\mathrm{m}^{-3}\) wurde in Notfallrichtlinien angegeben. Bei Konzentrationen in der Luft, die diese Grenzwerte erreichen oder überschreiten können, sind technische Schutzmaßnahmen und Atemschutz erforderlich.
Erste-Hilfe- und Notfallmaßnahmen: Exponierte Personen aus dem Gefahrenbereich entfernen, Haut und Augen gründlich mit reichlich Wasser spülen, unterstützende Behandlung und Sauerstoff bei Atemnot bereitstellen sowie Methemoglobinämie (symptomatisch) mit geeigneten klinischen Antidoten (z. B. Methylenblau) unter ärztlicher Aufsicht behandeln. Kein Erbrechen bei Verschlucken ohne ärztlichen Rat auslösen.
Lager- und Handhabungshinweise
- Behälter dicht verschlossen in einem kühlen, dunklen, gut belüfteten Bereich fern von Wärme- und Zündquellen lagern. Vor Licht und starken Oxidationsmitteln schützen.
- Von inkompatiblen Materialien (starke Oxidationsmittel, starke Säuren/Basen, acylierende Stoffe) sowie von Lebensmitteln und Futtermitteln getrennt lagern.
- Beim Transfer und der Lagerung von Flüssigkeiten metallische, geerdete und verbindungssichere Ausrüstung sowie funkenfreie Werkzeuge verwenden; Behälter sollten mit Druckentlastungseinrichtungen ausgestattet sein, soweit erforderlich.
- Staubbildung bei Feststoffen kontrollieren; fein dispergierte Pulver können explosionsfähige Staub-/Luft-Gemische bilden. Geschlossene Systeme, lokale Absaugung und explosionsgeschützte elektrische Geräte einsetzen, wo Staub- oder Aerosolbildung möglich ist.
- Persönliche Schutzausrüstung: undurchlässige Handschuhe, Augen-/Gesichtsschutz, Schutzkleidung zum Vermeiden von Hautkontakt sowie Atemschutz, wenn technische Maßnahmen die Luftkonzentration nicht unter die Expositionsgrenzwerte senken können. Notduschen und Augenspülstationen sollten in Arbeitsbereichen vorhanden sein.
- Brandbekämpfung: Substanz ist brennbar; Brände mit Trockenlöschern, CO2 oder Schaumlöschmitteln bekämpfen. Zersetzung kann toxische Stickoxide freisetzen; bei Brand Einsatz von Druckluftatmern mit Überdruck erforderlich.
Für detaillierte Gefahren-, Transport- und Regulierungsinformationen sollten Anwender das produktspezifische Sicherheitsdatenblatt (SDS) sowie lokale Vorschriften konsultieren.